Diese interaktive Visualisierung von Mobilitätsdaten in Neu-Hohenschönhausen ist zwischen Februar und Mai 2020 im Rahmen des Projekts Last Mile – New Neighborhood entstanden und wurde gefördert durch die Senatskanzlei Berlin im Rahmen der Förderlinie CityLab Berlin. Das Projekt ist Teil der Initiative Stadtmanufaktur der Technischen Universität Berlin, dem Zentrum Technik und Gesellschaft und dem Einstein Center Digital Future.
Unabhängig von der räumlichen Abdeckung des öffentlichen Nahverkehrs und davon welche Mobilitätsmodi irgendwann auf den Straßen verfügbar sein werden - das Gehen wird immer ein Bestandteil urbaner Mobilität sein. Die Gestaltung der ersten und letzten Meile kann ein wichtiger Faktor sein bei der Entscheidung, den eigenen PkW mal stehen zu lassen oder ihn gar nicht erst anzuschaffen. Aus der Perspektive von Städten und Kommunen ist es somit essenziell, die Gehfreundlichkeit und Barrierefreiheit in ihren Kiezen zu fördern, beispielsweise durch die Verbesserung der Infrastruktur, die Etablierung einer Misch-Nutzung oder die Bereitstellung von Alternativen bei unzumutbar langen Wegen. Es liegt somit im öffentlichen Interesse zu verstehen, wie weit Bewohner*innen eines Wohnquartiers zu Fuß gehen müssen, bevor sie in einen Bus oder Zug einsteigen. Wie hängt dies von Tag, Uhrzeit oder Wohnlage ab? Und wo gehen sie dabei entlang?
Aussagekräftige Daten zu erheben ist nicht leicht, schließlich greift das Teilen von Geopositionsdaten immer in die Privatsphäre einzelner ein. In diesem Kontext können alternative Datenquellen, welche einen Teil der Nutzung wiederspiegeln, nützlich sein. Für Neu-Hohenschönhausen haben wir deshalb auf ÖPNV-Verbindungsanfragen zurückgegriffen. Obwohl nicht alle eine (hier betrachtete) App anfragen, bevor sie ihre Reise mit Bus und Bahn beginnen, oder ihre Geo-Position mit der Anwendung teilen - so zeigt sich, dass Verbindungsanfragen mit der tatsächlichen Auslastung der Verkehrsobjekte deutlich korrelieren. Es ist somit naheliegend, Verbindungsanfragen als Datenquelle für Erkenntnisse über die relative Bewegung im Kiez miteinzubeziehen, um daraus Hypothesen abzuleiten und weiterführende Studien zu konzipieren, z.B. im Rahmen von Reallaboren vor Ort.
Für Neu-Hohenschönhausen haben wir die zuerst vorgeschlagenen Verbindungen zu rund 290.000 Anfragen an Apps und Webseiten der BVG aus dem Zeitraum 21. Juni bis 18. Juli 2017 als interaktive Web-Visualisierung aufbereitet. Aus der Perspektive von Haltestellen wird dabei gezeigt, aus welchem Bereich Anfragen kamen, für die die ausgewählte Haltestelle die erste bzw. letzte auf der angefragten Reise war. Durch die Bereitstellung verschiedener Filter lassen sich die vorgeschlagenen Wegzeiten an verschiedenen Tagen oder zu unterschiedlichen Tageszeiten vergleichen. Statistische Auswertungen zeigen darüber hinaus, wie weit die Bürger*innen von den jeweiligen Haltestellen im Mittel gefahren sind und was die häufigsten Ziele waren. Mit aktuellen und umfangreichen Daten ließen sich somit Erkentnisse über die Attraktivität des ÖPNV für bestimmte Ziele gewinnen, die Nutzung nächstgelegener kleinerer Haltestellen, sowie ein besseres Verständnis über die mutmaßlich zurückgelegten Strecke auf dem Weg zur ersten Haltestelle oder nach Hause.
Diese prototypische Implementierung soll das Potenzial interaktiver privatheitsfreundlicher Datenvisualisierungen im Kontext der Stadtplanung aufzeigen. Durch eine Demokratisierung der Daten aus dem öffentlichen Raum lassen sich Beteiligungsprozesse fördern, welche eine Transformation des Wohnquartiers mit Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen.
Die Karte visualisiert vorgeschlagene Verbindungen zu rund 290.000 Suchanfragen an App und Webseite der BVG aus dem Zeitraum 21. Juni bis 18. Juli 2017.
Die Navigation erfolgt durch das Anklicken der Haltestellen in der Karte. Ein Klick auf eine Haltestelle visualisiert ihren Einzugsbereich und ggf. die Kürzesten Wege. Unter Einzugsbereich verstehen wir denjenigen Bereich, aus welchem die Verbindungsanfragen kamen, für welche die App oder Webseite die angeklickte Haltestelle als Start- oder End-Haltestelle bei der kürzesten Verbindung vorgeschlagen hat.
Das Menü Filter auf der rechten Seite ermöglicht es, die Daten nach Wochentagen und Tageszeiten zu filtern, sowie verschiedene Daten-Ansichten (Layer) zu spezifizieren.
Die beiden Layer Kürzeste Wege und Einzugsbereich können gleichzeitig ausgewählt werden. Kürzeste Wege stellt die durch OpenStreetMap berechneten kürzesten Laufwege zur bzw. von der ausgewählten Haltestelle. Die tatsächlich gelaufenen Wege sind nicht bekannt.
Das Layer Einzugsbereich kann als sog. Fläche oder als Heatmap dargestellt werden. Die Variante Fläche stellt den Bereich der Anfragen approximiert durch ein sog. konvexes Polygon. Die Heatmap zeigt den Einzugsbereich der Haltestelle in verschiedenen Farben. Die Farbe Rot entspricht dabei der höchsten Anfrage-Dichte, und die Farbe Lila der niedrigsten.
Der Schiebe-Regler Distanz-Glättung ermöglicht es, besonders weit entfernte Anfragen zu ignorieren. Wählt man hier beispielsweise den Wert 90% aus, so werden die 90% der an der Haltestelle am nächsten gelegenen Anfragen berücksichtigt.
Das Menü Stationen zeigt Statistiken zu den vorgeschlagenen Reisenrouten von bzw. zur ausgewählten Haltestelle. Die Anzahl der Datenpunkte, auf denen die Statistiken berechnet wurden, werden jeweils in Klammern angezeigt (z.B. (n = 57)). Die Statistiken hängen von den ausgewählten Filtern ab und verändern sich dynamisch in Abhängigkeit der getroffenen Auswahl bzgl. Wochentag und Tageszeit. Falles es zu einer Filter-Konfiguration und der ausgewählten Haltestelle zu wenige Datenpunkte gibt, wird stattdessen Nan angezeigt.
Die Lauf-Distanz von bzw. zur Haltestelle wird als Luftlinie sowie als (laut OpenStreetMap) kürzester Weg angezeigt. Die Reise von Start- bis Ziel-Haltestelle wird als Distanz in Kilometern (km) sowie als Reise-Zeit in Minuten (Min.) dargestellt. Außerdem sind die häufigsten Ziele und Linien mit ihren Häufigkeiten dargestellt.
Die berechneten statistischen Maße sind: Durchschnitt (x̄); Streuung (σ²), der minimale (Min) und der maximale (Max) Wert; sowie drei Quantile (25%, 50%, 75%). Um letzteres an einem Beispiel zu verdeutlichen: wenn das 25% Quantil der Reise-Zeit 20 Minuten beträgt, so bedeutet es, dass 25% aller Fahrten von bzw. zu der ausgewählten Haltestelle maximal 20 Minuten dauern.